SPD Hohen Neuendorf

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Benennung Marienetta-Jirkowsky-Platz

Veröffentlicht am 13.08.2010 in Kommunalpolitik

Rede von Inka Gossmann Reetz (Ortsvereinsvorsitzende und Fraktionsvorsitzende) zur Benennung des Marienetta-Jirkowsky-Platzes in Hohen Neuendorf

I

Unsere Heimat Hohen Neuendorf ist Grenzstadt. Mehr als 28 Jahre lag sie an der Mauer, die unser Land geteilt,
an der Mauer, die so vielen Menschen so viel Leid und Schmerzen zugefügt hat. Bisher wissen wir, dass allein in dieser Stadt vier Menschen ihr Leben verloren, weil sie die Freiheit suchten.

Deshalb sind wir, die politisch Verantwortlichen unserer Stadt in besonderer Weise verpflichtet, an die Toten, an die Opfer von SED-Diktatur und Gewaltherrschaft zu erinnern.

Nur wer sich seiner Vergangenheit erinnert, ihrer gedenkt, hat eine gute Zukunft. Hohen Neuendorf stellt sich seiner Vergangenheit, erinnert auch heute an den Bau der Mauer, an die Toten.

Auch an Marienetta Jirkowsky. In der Florastraße erinnert eine Gedenkstele an die 18jährige junge Frau.

II

Wer durch Hohen Neuendorf fährt, wer auf Durchreise ist, wer zufällig in unserer schönen Stadt ist, erfährt jedoch kaum von unserem Gedenken, von unserer Erinnerung.

Bisher gab es dafür keinen zentralen Platz, keine Hauptstraße. Wer die Geschichte unserer Stadt kennt, und hier durch fährt, mag denken, wir würden verdrängen und vergessen.

In Berlin erinnern gleich zwei Weiße Kreuze an diesen Mauertod – direkt am Spreeufer vor dem Reichstag und zwischen Reichstag und Brandenburger Tor.
Gibt es in der Hauptstadt einen zentraleren, einen besseren Platz, um an die grauenhafte Zeit der Teilung und ihrer Opfer zu gedenken? -
an Marienetta Jirkowsky zu erinnern?

Jetzt erinnert auch Hohen Neuendorf an diesem zentralen Platz, diesem richtungsweisenden Platz, über den die große B96 führt, auf der täglich tausende die ehemalige Grenzlinie überqueren,
an die junge Frau, die hier vor fast 30 Jahren erschossen wurde.

III

Brutal erschossen wurde. 27 Schüsse fielen. Die StaSiunterlagen offenbaren: Zwei Schüsse wurden aus nächster Nähe abgegeben, einer zerfetzte ihr den Unterleib. Und trotzdem wurde sie noch im Krankenhaus verhört. Das Interesse des Staates DDR war wichtiger als ein junges Leben zu retten.

Zusammen mit ihrem Freund, ihrer großen Liebe wollte Marienetta Jirkowsky in die Freiheit. Sie habe keine politischen Gründe gehabt zu fliehen, ist mehrfach zu lesen. Sie habe wegen der Liebe den Staat DDR verlassen wollen, heißt es. Keine politischen Gründe? Gibt es ein politischeres Motiv als die Freiheit, als die Suche nach dem persönlichen Glück für eine Flucht? Gibt es in unserer Republik einen höheren Wert als die Freiheit? Für diese, für ihre Freiheit hat Marienetta Jirkowsky ihr Leben riskiert - und verloren.

IV

Bereits unmittelbar nach ihrem Tod war es eine Herzensangelegenheit der Stasi, diesen Tod an der Mauer in ihrem Sinne zu deuten, zu manipulieren. Gerüchte wurden in Umlauf gebracht über den Lebenswandel von Marienetta Jirkowsky, über ihren angeblichen Leichtsinn, über ihr privates Leben.

Es wurden IMs auf die Eltern angesetzt, damit sich diese noch weiter von ihrem Kind distanzieren, sie die Lügen über ihre Tochter glauben und verstehen, dass der Staat ihre Tochter erschossen hat,
ja, erschießen musste.

‚Marienetta wusste ja, was sie erwartete’ – dieser perverse Spin der Schüsse wurde indoktriniert.

V

In jüngster Zeit haben sich Verwandte, der Mauertoten dagegen gewehrt, dass dieser Platz nach Marienetta Jirkowsky benannt wird. Sie haben große Worte gewählt: Freiheit, Freiheit der Andersdenkenden, ihre Freiheit, wie sie mit dem Tod ihrer Nichte umgehen.

Niemand will diese Freiheit einschränken. Niemand will den Verwandten von Marienetta Jirkowsky vorschreiben, wie sie um ihre Nichte trauern, wie sie ihrer gedenken. Das wäre anmaßend.

Wie wir aber, wie diese, wie unsere Stadt, wie unser Gemeinwesen sich an Marienetta Jirkowsy erinnert, das entscheiden wir, das entscheidet die SVV, das entscheidet Hohen Neuendorf.

Der Tod an der Mauer war nie Privatsache. Und er wird nie Privatsache sein. Marienetta Jirkowsky ist eine öffentliche Person. Und an sie wird gedacht - in Berlin – am Reichstag - in Hohen Neuendorf – nun auch hier an diesem zentralen Platz.

Ihr Name soll uns an die Geschichte einer jungen Frau erinnern, die für die Sehnsucht nach Freiheit ihr Leben verlor.

Ihre Geschichte soll uns stellvertretend an all diejenigen erinnern, die an der Mauer ihr Leben riskierten oder gar verloren und die Vielen, die an den Machenschaften des SED-Staates zerbrachen.

Ihr Name wird uns daran erinnern, dass unsere Geschichte noch lange nicht aufgearbeitet ist.

VI

Vor nicht einmal 30 Jahren hat Marienetta Jirkowsky ihr Leben verloren. Eine sehr kurze Zeit. Historisch nicht einmal einen Moment. Die Forschung über dieses schreckliche Ereignis hat erst begonnen.

Einer der wenigen Wissenschaftler, die sich mit diesem Gewalttod auseinandersetzen, ist Professor Appelius.

Er hat nun Unterlagen über ein Interview mit dem Vater von Marienetta, Klaus Jirkowsky. In einem Gespräch kurz vor seinem Tode hat dieser seinen Wunsch geäußert, die Nachwelt möge sich an den Gewalttod seiner Tochter Marienetta erinnern. Diesem Wunsch kommen wir auch heute nach.

Professor Appelius erfuhr auch, dass sich eine Tante in dieser Zeit gegen das Vergessen aussprach, aber eben nicht laut oder in der Öffentlichkeit,
so wie die eine der Verwandten, die sich bis vor kurzem so heftig gegen unsere Erinnerung gestemmt haben,
über die es eine umfangreiche Akte gibt, eine -Stasi-Akte.

VII

Wir werden nun gleich alle zur Stele in der Florastraße gehen. Bürgermeister Klaus Dieter Hartung wird einen Kranz niederlegen, um an die Gewaltopfer an der Mauer zu erinnern.

Ich finde: Das ist gut so. Unsere Erinnerung an Marienetta Jirkowsky – die Stelen, der Mauerweg und dieser Platz:

Diese Gedenken passen gut zusammen.

Sie zeigen, dass wir es alle sehr ernst nehmen mit dem Erinnern.

Denn nur wer sich erinnert, hat eine gute Zukunft.
Hohen Neuendorf wird eine gute Zukunft haben.

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