SPD Hohen Neuendorf

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Thälmannplatz und kein Ende

Veröffentlicht am 15.01.2012 in Kommunalpolitik

Liebe Hohen Neuendorferinnen und Hohen Neuendorfer,

die Umbenennung, des Thälmannplatzes hat viel Staub, vor allem aber Emotionen in unserer Stadt aufgewirbelt. Die Diskussion wird inzwischen sogar über unsere Stadtgrenzen hinaus geführt.
In unserem SPD-Ortsverein haben wir uns im vergangendem Jahr sehr intensiv und ausführlich sowohl mit den Thema Straßen(um)benennung, als auch mit der Person Thälmann beschäftigt. Die Diskussionen wurden kontrovers, aber sehr sachlich geführt. Unsere Abgeordneten hatten dadurch eine intensive Zeit für ihre Meinungsbildung. Unser Mitglied Friedhelm Maier hat nun einen persönlichen Beitrag zu dem Thema verfasst. Den möchte ich Ihnen auf keinen Fall vorenthalten.

Es grüßt Sie:
Ihre Inka Gossmann-Reetz

(Ortsvereinsvorsitzende SPD Hohen Neuendorf und
Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordnetenversammlung)

-

Ein persönlicher Beitrag zur Diskussion:

Die in der lokalen Presse geführte Diskussion um die Umbenennung des Thälmannplatzes in Hohen Neuendorf zeigt dreierlei:

1. Das von den DDR Ideologen geschaffene Bild des aufrechten „Kämpfers und Helden, der sich den Nationalsozialisten in den Weg gestellt hat“ ist noch in vielen Köpfen lebendig und zeigt noch immer Wirkung.

2. Es herrscht ein verbreiteter Mangel an geschichtlichen Kenntnissen, wobei gerne im Einzelfall bruchstückhafte Kenntnisse selektiv eingesetzt werden, um die eigene Position zu untermauern.

3. Es fehlte vor der Entscheidung in der Stadtverordnetenversammlung eine öffentliche Auseinandersetzung über die Person Ernst Thälmanns.

Vergessen wird, dass Ernst Thälmann, der unbedingte Vasall Stalins, seine Partei in der Weimarer Republik ganz an der Stalinschen Politik ausgerichtet hat. Ziel der von ihm geführten KPD war in erster Linie die Vernichtung der verhassten demokratischen Republik und der Kampf gegen die Sozialdemokraten, die als Sozialfaschisten verunglimpft wurden. Dabei war ihm jedes Mittel recht. Selbst vor gemeinsamen Auftritten mit Nazis scheute die KPD unter seiner Führung nicht zurück. Thälmann befürwortete unter anderem die Hereinnahme von Nazis in Streikkomitees. Ulbricht und Goebbels traten gemeinsam auf einer Massenkundgebung auf, und das noch 1932!
Soviel zur These, Thälmann habe sich Hitler in den Weg gestellt. Im Kampf gegen die Republik hatten beide das gleiche Ziel – ihre Vernichtung. Im Wettlauf dorthin war Hitler nur schneller.

Man darf Ernst Thälmann neben Adolf Hitler durchaus als den anderen Totengräber der Republik bezeichnen. Insofern erscheint es uns heute als bittere Ironie, dass die Kommunisten in Hohen Neuendorf nach 1945 den „Adolf-Hitler-Platz“ in „Thälmannplatz“ umbenannten. Auf den Demokratievernichter folgte der Demokratieverächter.

Vergessen ist, dass Thälmann 1925 nach dem Tode Friedrich Eberts mit seiner Kandidatur für das Amt des Reichspräsidenten der noch jungen Republik einen Bärendienst erwies. Obwohl er im ersten Wahlgang nur 7% der Stimmen erhalten hatte und ein Erfolg aussichtslos war, trat er erneut an. Damit machte er die Chancen des Kandidaten der „Weimarer Koalition“ (DDP, SPD und Zentrum) zunichte. Der frühere Reichskanzler Dr. Wilhelm Marx (Zentrum), ein engagierter Verteidiger der Republik, erreichte mit 13,75 Mill. nur den zweiten Platz. Thälmann blieb mit 1,9 Mill. Stimmen weit abgeschlagen. So kam der von den Rechtsparteien erst im zweiten Wahlgang aufgestellte und auch von Hitler unterstützte Paul von Hindenburg mit 14,7 Mill. Stimmen ins Amt. Mit ihm wurden jene Kräfte gestärkt, die die Republik zerstören wollten. In der Krise ebnete er Hitler den Weg. Auch das sollte bedenken, wer behauptet, Thälmann habe sich Hitler in den Weg gestellt.

Vergessen ist, dass 1928 das ZK der KPD Thälmann als ihren Vorsitzenden abgesetzt hatte, wegen des Versuches, die Unterschlagungen seines engen Freundes Wittorf zu vertuschen. Dieser war nicht irgendwer, sondern hauptamtlicher Funktionär der Hamburger KPD und zeitweise auch Mitglied der Hamburger Bürgerschaft.
Am 26. September 1928 fasste das ZK einstimmig folgenden Beschluss und veröffentlichte ihn am darauffolgenden Tag im Parteiorgan “Die Rote Fahne”: “Das Zentralkomitee missbilligt aufs schärfste die Geheimhaltung der Hamburger Vorgänge gegenüber den leitenden Instanzen durch den Genossen Thälmann als einen die Partei schwer schädigenden politischen Fehler ... Dem Beschluss liegt folgende Tatsache zugrunde: Genosse Thälmann .... hat mit einigen Genossen den Versuch gemacht, die ihm ... bekannt gewordenen Unterschlagungen Wittorfs den leitenden Instanzen vorzuenthalten und unter Umgehung der Instanzen der Partei zu liquidieren. ... “
Stalin war es, der dafür sorgte, dass Thälmann nach zwei Wochen wieder in Amt und Würden kam und seine für die Weimarer Republik verheerende Politik weiter betreiben konnte.
In der DDR darüber nur eine verschämte und verlogene Darstellung.

Vergessen ist, dass diejenigen, die nach 1945 in der DDR den toten Thälmann zum Helden und Vorbild für die Jugend stilisierten, nichts für ihn unternommen haben, als er nach seiner Verhaftung am 3. März 1933 im KZ gefoltert und schließlich ermordet wurde. Ulbricht krümmte keinen Finger für ihn, war doch ein Konkurrent ausgeschaltet. Stalin hatte keinerlei Interesse, seinen einstigen Vasallen zu retten. In den Zeiten des Stalin-Hitler-Paktes wäre dazu durchaus Gelegenheit gewesen.

Schief sind die Vergleiche, die Gleichsetzungen, die herangezogen werden. Thälmann in einem Atemzug mit Julius Leber oder Martin Niemöller zu nennen, kommt einer Verhöhnung dieser aufrechten Männer gleich. Zu unterstellen, wer sich gegen den Namen Thälmanns im öffentlichen Raum wendet, wolle auch Rosa Luxemburg und Clara Zetkin, wolle Heinrich Heine und Kurt Tucholsky, Käthe Kollwitz oder Emile Zola von den Straßenschildern holen, setzt bewusst auf Unkenntnis und Vorurteile. Thälmanns Politik hätte gewiss nicht die Unterstützung Rosa Luxemburgs gefunden. Clara Zetkin war seine entschiedene Gegnerin. “Kenntnislos und theoretisch ungeschult” nennt sie ihn 1927 in einem Brief an Bucharin, und er habe sich “in kritiklose Selbsttäuschung und Selbstverblendung hineingesteigert, die an Größenwahnsinn grenzt und der Selbstbeherrschung ermangelt”.

Natürlich ist Thälmann nicht für die Politik der DDR verantwortlich, natürlich kann man ihm nicht die Menschenrechtsverletzungen in dieser Zeit anlasten. Darum geht es nicht bei der Frage, ob heute noch ein Platz nach Ernst Thälmann benannt bleiben sollte. Dies zu unterstellen, versucht abzulenken. Es geht um das Geschichtsbild und das Selbstverständnis der Demokraten in unseren Tagen. Dazu brauchen wir nicht an der von der DDR gewollten Symbolik festzuhalten.

Muss in unseren Tagen eines Mannes in herausgehobener Weise gedacht werden, dessen Ziel die Beseitigung der demokratischen Ordnung in Deutschland war, der schon 1921 auf seine Fahnen geschrieben hatte, die Weimarer Republik zu bekämpfen, bis sie nicht mehr existiert? Eignet sich dieser Mann – auch wenn er sein Leben im KZ verlor – zur Würdigung im öffentlichen Raum? Respekt vor seinem Schicksal – ja! Ehrung und damit Bekenntnis zu dem was er wollte – nein!

Müssen nicht alle, die 1989 in der DDR auf die Straßen gegangen sind, um das Joch der Diktatur des Proletariats abzuschütteln, die für Freiheit und Demokratie gestritten haben, die fortdauernde Präsenz dieses Verächters demokratischer Ordnung als Zumutung empfinden?

Mit dem Selbstverständnis einer demokratischen Gesellschaft ist die in der Benennung eines öffentlichen Platzes zum Ausdruck kommende Würdigung Ernst Thälmanns nicht vereinbar.
Der Ruf nach Toleranz ist fehl am Platze.

Wer nun einwendet, dann müsse man über viele andere Namen auf den Straßenschildern in der Republik diskutieren, hat recht. Nur ist dies kein Argument, an dem für falsch Befundenen weiter festzuhalten.

Friedhelm Maier, Hohen Neuendorf

Fussnote:
1 Zitiert nach: Der Thälmann-Skandal, Geheime Korrespondenzen mit Stalin, Hrsg. von Hermann Weber und Bernhard H. Bayerlein, Berlin 2003, Seite 131 f

Kommentare

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Euhausen

Danke, sehr geehrter Herr Maier. Dem ist nichts hinzuzufügen. Bin allerdings gespannt, ob alle Ihre Genossinnen und Genossen bei der Stange bleiben!

Autor: Klaus Euhausen, Hennigsdorf, Datum: 05.02.2012, 11:26 Uhr


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